Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG – Rechtsprechungsänderung

Die nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG erforderliche Schriftform zur Geltendmachung von

Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen (§ 15 Abs. 1 und 2 AGG) kann
auch durch eine Klage gewahrt werden. Es genügt der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird.

BAG, Urteil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13

Der Fall:

Die Beklagte betreibt Hallenbäder und Freibäder. Die Klägerin ist wegen einer Erkrankung
an multipler Sklerose (MS) schwerbehindert. Nach dreijähriger Ausbildung zur Fachangestellten für Bäderbetriebe bewarb sie sich um eine entsprechende Stelle bei der Beklagten, die ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht stellte. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Wegen der Behinderung sei die Klägerin nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, die der Beklagten einen Tag nach Ablauf
der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zugestellt wurde.

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 90,40 Euro sowie eine Entschädigung in Höhe von 4.500,00 Euro zugesprochen.

Das LAG hat die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte beim BAG Erfolg. Die Klägerin hat die Geltendmachungsfrist des § 15 Absatz 4 AGG durch rechtzeitige Einreichung der Klage gewahrt, obwohl die Klageschrift der Beklagten erst nach Ablauf der Frist zugestellt worden ist. Damit wendet das BAG § 167 ZPO an und weicht von der bisherigen Rechtsprechung (BAG 21. Juni 2012 – 8 AZR 188/11) ab.

Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Dieses wird nun zu prüfen haben, ob die Klägerin zu Unrecht wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden ist und in welcher Höhe ihr gegebenenfalls Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zustehen.

Hinweis für die Praxis:

§ 15 Absatz 4 AGG verlangt, dass Ansprüche wegen Benachteiligung nach AGG innerhalb von 2 Monaten schriftlich gegenüber dem Benachteiligenden geltend zu machen sind. Anderenfalls sind diese Ansprüche ausgeschlossen. Die Geltendmachung kann auch durch direkte Klage beim Arbeitsgericht erfolgen; die Frist ist gewahrt, wenn die Klage innerhalb der 2 Monats Frist beim Arbeitsgericht eingeht und zeitnah der Beklagten zugestellt wird, selbst wenn dies außerhalb der 2 Monats Frist erfolgt.

 

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