Erholungsbeihilfe nur für Gewerkschaftsmitglieder?

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht, wenn ein Arbeitgeber mit einer Gewerkschaft im Rahmen von Tarifverhandlungen vereinbart, für deren Mitglieder bestimmte Zusatzleistungen zu erbringen.

BAG, Urteile vom 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 u. a.

Der Fall:

Die Kläger, die nicht Mitglieder der IG Metall sind, verlangen von der Beklagten Arbeitgeberin, eine „Erholungsbeihilfe“ in Höhe von 200,00 Euro. Im Rahmen von Sanierungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und dem zuständigen Arbeitgeberverband einerseits sowie der Gewerkschaft IG Metall andererseits waren im Jahre 2010 eine Reihe von Vereinbarungen, darunter auch entgeltabsenkende Tarifverträge geschlossen worden. Die IG Metall hatte gegenüber der Beklagten die Zustimmung hierzu von einer „Besserstellung“ ihrer Mitglieder abhängig gemacht. Zur Erfüllung dieser Bedingung trat die Beklagte einem Verein bei, der „Erholungsbeihilfen“ an IG Metall-Mitglieder leistet. Nach der Beitrittsvereinbarung hatte die Beklagte dem Verein einen Betrag von 8,5 Mio. Euro zu zahlen. Der Verein sicherte die Auszahlung von Erholungsbeihilfen an die bei der Beklagten beschäftigten IG Metall-Mitglieder zu. Anders als die IG Metall-Mitglieder erhielten die Kläger keine Erholungsbeihilfe.

Die Lösung:

LAG und BAG haben die Klagen abgewiesen, weil der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet ist. Die Beitrittsvereinbarung war Bestandteil des „Sanierungspakets“ der Tarifvertragsparteien. Solche Vereinbarungen sind nicht am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu überprüfen. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistungen für die Gewerkschaftsmitglieder in einem Tarifvertrag oder einer sonstigen schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung geregelt worden sind.

Aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen findet eine Überprüfung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statt.

Hinweis für die Praxis:

Gewerkschaften versuchen in Tarifverhandlungen, für ihre Mitglieder bessere Tarifverträge abzuschließen. Nichtmitglieder werden von den Gewerkschaften nicht vertreten und häufig als „Trittbrettfahrer“ bezeichnet. Denn in vielen Arbeitsverträgen haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart, dass bestimmte Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung gelten. Dadurch kommen auch Nichtmitglieder der Gewerkschaften in den Genuss der Tarifleistungen, ohne dafür Mitgliedsbeiträge oder Arbeitskampfmaßnahmen leisten zu müssen. Das hat die Gewerkschaften bewogen, über sogenannte Differenzierungsklauseln „nachzudenken“, wonach im Tarifvertrag geregelt ist, dass nur Gewerkschaftsmitglieder bestimmte Leistungen erhalten. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang einfache und qualifizierte Differenzierungsklauseln. Zu qualifizierten Differenzierungsklauseln existiert ein Beschluss des Großen Senats des BAG vom 29. November 1967 (- GS 1/67) (vgl. zu einfachen Differenzierungsklauseln auch BAG, Urteile vom 9. Mai 2007 – 4 AZR 275/06 und 18. März 2009 – 4 AZR 64/08).

Ob an der Entscheidung des Großen Senats aus 1967 noch festzuhalten ist, ist höchst umstritten. Jedenfalls hat die IG Metall im oben genannten Fall durch die Zwischenschaltung eines Vereins eine „Hintertür“ gefunden, um sicherzustellen, dass nur Gewerkschaftsmitglieder in den Genuss einzelner Leistungen kommen.

 

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