Göteborg in Schweden: Dort wurde ein zweijähriges Experiment beendet, bei dem Mitarbeiter eines staatlichen Altersheimes statt acht Stunden, täglich nur sechs Stunden arbeiteten – und das bei vollem Lohnausgleich. Mit dem Ergebnis, dass angeblich die Beschäftigten motivierter und seltener krank waren und zudem viel produktiver.
Wie denken deutsche Arbeitnehmer über das 6-Stunden-Tag-Modell – allerdings ohne vollen Lohnausgleich? Dazu hat Viking eine Studie vom britischen Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov durchführen lassen. Im Februar 2017 wurden 1017 deutsche Berufstätige ab 18 Jahren aufwärts befragt. Tatsächlich würden sich 53% den verkürzten Arbeitstag wünschen. Die weiblichen Befragten (55%) waren dem deutlich positiver gegenüber eingestellt als die Männer (50%). Die Gründe, die sie angaben, waren unterschiedlich. 48% der Frauen sagten, sie würden sich weniger gestresst fühlen, wohingegen bei den Männern das Top-Argument war, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können (40%). Insgesamt 36% waren der Meinung, dadurch würde ihre Work-Life-Balance besser.
Gründe, die gegen das 6-Stunden-Tag-Modell sprachen, waren in erster Linie finanzieller Art. 29% sagten, dass sie es sich nicht leisten können und 27% hatten Sorge, ihren Lebensstil nicht erhalten zu können. 23% äußerten Bedenken, ihr Arbeitspensum in nur sechs Stunden nicht zu schaffen.
Fast zu vermuten war die Tatsache, dass je nach Branche die Beschäftigten sehr unterschiedliche Ansichten zu dem Modell haben. Am ehesten befürworten es Arbeitnehmer aus der IT- und Kommunikationsbranche (64%), Finanzwesen (60%), Gesundheitswesen (58%), Bauwesen (57%) und Bildung (56%). D.h. in Arbeitsbereichen mit starker Belastung und erforderlicher hoher Konzentration wäre dieses Arbeitszeitmodell möglicherweise eine interessante Alternative zum üblichen 8-Stunden-Tag.
Überrascht hat der Vergleich der Gegner und Befürworter in den unterschiedlichen Altersgruppen. Je jünger die Arbeitnehmer, desto positiver sind die Reaktionen auf die verkürzte Arbeitszeit. 58% der Beschäftigten zwischen 18 und 34 Jahren begrüßen das 6-Stunden-Modell. In der Altersgruppe 45-54 Jährige sind es nur noch 53% und ab 55 Jahren+ reduziert sich die Anzahl auf 49%. Bei den Älteren nimmt die Sorge zu, dass es finanziell nicht ausreiche, wenn sie weniger arbeiten würden.
Fazit: Die Wirtschaft könnte sicherlich profitieren. Die Beschäftigungsquote würde steigen und dadurch die Arbeitslosenquote sinken. Ginge es nach den Arbeitnehmern, würde die 6-Stunden-Woche aber bei vollem Lohnausgleich eingeführt. Das wiederum würde erst einmal höhere Kosten für die Unternehmen bedeuten. Es sei denn, die steigenden Produktivitätsgewinne durch leistungsfähigere, motivierte Mitarbeiter würden die Kosten für die Anstellung zusätzlicher Mitarbeiter kompensieren*.
Das Experiment im schwedischen Altersheim wurde dennoch beendet, obwohl es grundsätzlich sehr erfolgreich war – angeblich aus formalen Gründen. Fakt sei aber, dass das ganze Projekt in der Umsetzung ziemlich teuer war. Ob die wirtschaftlichen Kosten eines kürzeren Arbeitstages wirklich schwerer wiegen als dessen Nutzen, bleibe aber noch zu klären.
*Zitat Clemens Zierler, Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an der Johannes Kepler Universität Linz.
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