Schließen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über Gleitzeit und regeln sie darin die Arbeitszeit, können sie bestimmen, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche Arbeitszeit gekappt und grundsätzlich nicht als zu verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Eine solche Kappungsregelung betrifft aber – wenn nicht besondere Anhaltspunkte vorliegen – nicht die vergütungspflichtige Arbeitszeit.
BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 40/12
Der Fall:
Die Betriebsparteien schlossen 2009 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, in der unter anderem Regelungen zur Gleitzeit festgelegt wurden. Zusätzlich wurde in einer Protokollnotiz vereinbart, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete tägliche Arbeit zwar im Zeiterfassungssystem protokolliert, jedoch systemseitig gekappt wird. In 2010 wurden so 2.747,51 Arbeitsstunden gekappt. Der Betriebsrat kündigte daraufhin die Protokollnotiz und Teile der Betriebsvereinbarung, was der Arbeitgeber jedoch nicht akzeptierte.
Mit seinem Antrag begehrte der Betriebsrat nun die Feststellung der Unwirksamkeit der Kappungsregelung, da diese unzulässig in Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer eingreife.
Die Lösung:
Der Antrag hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Sowohl die Kappungsregelung als auch die Betriebsvereinbarung im Übrigen ist wirksam. Sie regeln gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur die Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn und nicht deren Vergütung. Zweck der Vereinbarungen ist es, den Arbeitnehmern die freie Gestaltung der Lage ihrer Arbeitszeit zu ermöglichen und gleichzeitig die gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts einzuhalten. Dies ist zulässig.
Hinweis für die Praxis:
Die hinter dem Verfahren stehende Frage, ob die Mitarbeiter, deren Arbeitszeiten „gekappt“ worden sind, Anspruch auf Vergütung haben, hat das BAG nicht klären müssen. Das BAG hat aber klar gestellt, dass die Vergütung von geleisteter Mehrarbeit bereits durch den im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrag abschließend geregelt ist mit der Folge, dass diese Frage durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt werden konnte (§ 77 Absatz 3 BetrVG). Das bedeutet, dass Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer, sollten sie bestehen, durch die Kappungsregelung nicht beseitigt wurden. Ob aber tatsächlich vergütungspflichtige Mehrarbeit vorliegt, muss gegebenenfalls in jedem Einzelverfahren zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geklärt werden. Denn nicht jede bloße Anwesenheit im Betrieb ist zu vergüten; es muss sich vielmehr um vom Arbeitgeber angeordnete oder geduldete Arbeitszeit handeln bzw. um Mehrarbeit, die aus betrieblichen Gründen erforderlich war. Denn grundsätzlich ist der Arbeitnehmer auch im Gleitzeitmodell gehalten, seine geschuldete Arbeitsleistung innerhalb der Regelarbeitszeit zu erbringen. Vgl. dazu BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 –
• Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden setzt neben deren Leistung voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Arbeitnehmer.
• Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat.
• Für eine konkludente Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen, dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte.
• Mit der ausdrücklichen oder konkludenten Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.
• Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden. Dazu muss der Arbeitnehmer vortragen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat.
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