Familienfreundliche Unternehmen

von Ruth-Ellen Unruh
Fachanwältin für Arbeitsrecht

ref_unruhDer Begriff „Familienfreundliche Unternehmen“ ist zwar in aller Munde, jedoch besteht in diesem Zusammenhang wohl weiterhin erheblicher Handlungsbedarf.

Dieser beginnt bereits beim Begriff selbst. Familienfreundliches Unternehmen ist kein inhaltlich festgelegter rechtlicher Begriff, ja es ist noch nicht einmal in irgendeiner Form definiert, was hierfür die zwingenden maßgeblichen Kriterien sind. Ganz im Gegenteil, bei „Qualitätssiegeln“ (wie z. B. der familienfreundliche Arbeitgeber, FaMi-Siegel), Auszeichnungen, Zertifizierungsverfahren und allgemeinen Untersuchungen, sowie Presseartikel werden verschiedenste Kriterien munter gemixt, unterschiedlich gewichtet oder auch einmal überhaupt nicht herangezogen.

Unter familienfreundlich wird zwischenzeitlich fast jede Aktivität eines Unternehmens für seine Arbeitnehmer erfasst, die über das klassische Entgelt hinausgeht und einen noch irgendwie denkbaren „Familienbezug“ hat. Oft wird weiterhin der Fokus auf Kinder gelegt, also Familie nur dort gesehen, wo auch Kinder vorhanden sind. Dies kommt dann durch Überschriften wie „Unternehmen tun zu wenig für Eltern“ oder „Karriere mit Kind, Familienfeindliche Unternehmenskultur“ -Süddeutsche Zeitung 2011- zum Ausdruck. Umgekehrt, da auch dies besonders öffentlichkeitswirksam scheint, wird gerne über die Eröffnung von Betriebskindergärten oder die Verleihung eines Titels z. B. „Familienfreundliche Unternehmen 2013” ausführlich in der Presse berichtet.

Es stellt sich daher die Frage, was gehört eigentlich alles zu einem wirklich familienorientiert ausgerichteten Unternehmen? Ein öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber formulierte insoweit einmal: Familienfreundlich ist immer das, was den Beschäftigten mit Familienpflichten hilft und den Unternehmen/Institutionen/Einrichtungen dabei nicht grundlegend schadet. Auch diese Definition dürfte aber nicht wirklich zielführend sein!

Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ergab sich bereits im Jahre 2003, dass aus Sicht der Arbeitnehmer diese familienfreundliche Arbeitszeiten für den wichtigsten Ausgangspunkt halten. In mehr als einem Drittel der Fälle (35,6 % der befragten Frauen und 27,7 % der Männer) sprachen sich für diesen Bereich aus. (Quelle: Arbeitnehmer/innen-Befragung Familienfreundlicher Betrieb 06.11. bis 06.12.2003). Eine finanzielle Unterstützung für Beschäftigte mit Kindern oder Pflegeaufgaben stand an zweiter Stelle der wichtigen Handlungsbereiche mit 17 % der Nennungen. Freistellungsmöglichkeiten für Pflegeaufgaben wurden am dritthäufigsten genannt. Ein familienfreundliches Betriebsklima rangierte im Durchschnitt aller befragten Erziehenden und Pflegenden fast gleichauf mit der Vermittlung von Betreuungsangeboten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige vonseiten des Betriebs. Angebote während der Elternzeit, wie Weiterbildung oder aushilfsweises Arbeiten, wurden bezogen auf alle Befragten überraschend am seltensten als wichtigster Handlungsbereich genannt. Doch hielten die unmittelbar Betroffenen solche Angebote für erheblich wichtiger als der Durchschnitt aller Befragten

Mit diesem Ergebnis hätten die Unternehmen eigentlich den richtigen Weg und die maßgeblichen Kriterien ziemlich klar erkennen können! Nunmehr hat jedoch eine führende Unternehmensberatung, ATKearny, ihre zweite Arbeitnehmerbefragung durchgeführt. Bei dieser Befragung wurden 1.771 Arbeitnehmer befragt in unterschiedlichsten Betriebsgrößen und Branchen. Nicht nur, dass (laut dieser Studie) aus Arbeitnehmersicht sich bislang nur in wenigen Unternehmen Familienfreundlichkeit als Unternehmenskultur etabliert hat, nein, es werden sogar weiterhin konkrete Nachteile befürchtet bei der Inanspruchnahme familienfreundlicher Leistungen!

Insbesondere Väter zwischen 25 und 40 Jahren, die also in der Regel vor wichtigen Karriereschritten stehen, befürchten überdurchschnittlich häufig eine schlechte Beurteilung ihrer Leistungen (40 %) und Probleme mit Kollegen (29 %), falls sie familienfreundliche Leistungen in Anspruch nehmen. Mütter, die überdurchschnittlich häufig in Teilzeit arbeiten, haben laut dieser Studie hingegen eher Angst vor finanziellen Einbußen (37 %).

Die Angst vor beruflichen Nachteilen scheint daher weiterhin gegen die Familienfreundlichkeit zu sprechen. Dass sie vielleicht nicht völlig unberechtigt ist, ergibt sich auch aus anderen Indizien. So sind beim Berliner Landeswettbewerb 2011 für Familienfreundlichkeit im Unternehmen z. B. folgende Fragen auffällig:

Gibt es besondere Angebote für Väter? Ja, z. B. durch

•    Teilzeit
•    Elternzeit länger als 2 Monate
•    Väterstammtisch

Allein schon die Frage, ob es ein besonderes (!) Angebot gibt, Elternzeit länger als zwei Monate zu nehmen, spricht für sich. Zudem werden hier Elternzeit und der Elterngeldanspruch vermischt. Es stellt daher bereits wohl schon ein erwähnenswertes Kriterium dar, wenn Väter von ihren Rechten, die seit Jahren im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gesetzlich verankert sind, Gebrauch machen. JEDER Elternteil hat einen gesetzlichen Anspruch auf 3 Jahre, also auch Väter! Gleiches gilt selbstverständlich für einen Teilzeitanspruch nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz oder wiederrum während der Elternzeit.

Auch gibt die Studie zu erkennen, dass weiterhin wohl nur Mütter sich für Teilzeitarbeitsverhältnisse entscheiden (62 %) Väter dagegen nur mit 7 %!

Damit Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Familienfreundlichkeit nicht nur ein Schlagwort bleiben, bedarf es daher sicherlich einer genauen Analyse, welche familienfreundlichen Leistungen im Unternehmen wirklich erbracht werden und welche zeitnah umgesetzt werden können. Hierzu zählen weiterhin elementar flexible, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle aber vor allem auch verlässliche Arbeitszeiten! Aber es gehören auch ganz banale Dinge, wie die konsequente Umsetzung und Förderung der bereits gesetzlichen verankerten Möglichkeiten (z. B. Pflegezeit, Familienzeit, Teilzeit, Elternzeit, Teilzeit in der Elternzeit) und die faire Information hierüber, dazu.

Des Weiteren darf die Familienfreundlichkeit im Unternehmen sicherlich nicht nur ein werbewirksames Etikett oder Siegel sein, das irgendwo möglichst schnell erworben wird. Es muss vielmehr eine selbstverständlich gelebte Unternehmenskultur etabliert werden. Hier kommt insbesondere den Führungskräften eine maßgebliche Aufgabe zu. Agieren nämlich Führungskräfte wahrnehmbar als Vorbilder, ändert sich mittelfristig die Firmenkultur. Auch dies spiegelt sich in der bereits zitierten Studie von ATKearny eindeutig wider. Diese Vorbildfunktion nimmt auch berechtigten und vielleicht unberechtigten Ängsten den Nährboden. Nur durch einen wirklich gelebten Wandel im Unternehmen wird irgendwann „Familienfreundlichkeit“ das erreichen, was eine Selbstverständlichkeit für jedes Unternehmen sein müsste: Zufriedene Arbeitnehmer, die gerne und effektiv arbeiten und dem Unternehmen in guten und schlechten Zeiten – wie in der Familie auch – treu bleiben!

Packen Sie den Wandel daher persönlich – als gut informierte Führungskraft – an!

 

Unser Seminar zum Thema:

Erfolgsfaktor Familie: Der familienfreundliche Betrieb
Arbeitsmodelle zwischen Wunsch und Wirklichkeit

07.10.2014 – 09.10.2014 Boltenhagen/Ostsee
18.11.2014 – 20.11.2014 Kaiserslautern

Mehr Informationen und die Möglichkeit der unverbindlichen Reservierung oder verbindlichen Anmeldung finden Sie hier.

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